Jordanien

Nach Jordanien haben uns bereits vier Reisen geführt. Hier die Berichte von 2008 - 2009 - 2011 - 2017.


Zentrales Bergland 2017

Man sollte sich kein Wetter wünschen … denn das hatten wir getan – nach vier Touren mit mehr oder weniger frostigen Erfahrungen war der Wunsch an Jordanien auch der: „endlich mal wieder eine warme Wüste“. Einer, wo man tagsüber ordentlich ins Schwitzen kommt, abends noch gemütlich auf der Matte liegen kann und nachts unterm Sternen- und ohne sonstiges Zelt schläft, ohne frieren zu müssen. Gefroren haben wir dann auch nicht – oder doch fast nicht – dafür gab es ganz andere Wetterkapriolen. Und auch sonst gehört dieser Tour wie bisher keiner anderen der Wüstenwandereien das Prädikat “Abenteuer“.

Die Komposition war gut – die Besichtigungsgelegenheiten zu Beginn, dann das Trekking und zum Schluss ein Tag zum Chillen am Toten Meer. Auch einen Blick auf jordanische Realitäten gab es, gleich zu Beginn, im Gespräch mit Sr. Ursula Hopfensitz SDS, die in Kooperation mit der örtlichen Caritas seit Jahren im Einsatz ist für asiatische Arbeitsmigrantinnen. Danach der lange Weg nach Wadi Musa - über Madaba und den Nebo, ein kurzer Blick – leider nicht mehr – auf Kerak. Eine letzte Nacht im Hotel, und schon ging es am nächsten Morgen nach Petra hinein, dessen Zugang sich in den 8 Jahren, seit ich zuletzt da war, deutlich „professionalisiert“ hat - was aber nichts an der atemberaubenden Schönheit dieses "neuen Weltwunders" ändert. Am Ende des Besichtigungstages verlassen wir Petra hinter Et Deir an der Stelle, wo wir 2008 und 2009 hereingekommen sind – hier beginnt unser Trekking! Das schmale Sims, das uns damals einen ziemlichen Schrecken eingejagt hatte, gibt es nicht mehr, es in der Zwischenzeit ist zu einem locker gangbaren Weg ausgebaut worden. Und schon sind auf dem Weg nach Norden, sechs Nächte unterm Sternenzelt liegen vor uns – no roof but the sky!

Wie schnell uns die Romantik abhanden kommen sollte, können wir da noch nicht ahnen. Die erste Nacht zwischen Petra und Little Petra bringt schon eine kleine Überraschung – plötzlich beginnt es zu regnen! Es sind nur ein paar Tropfen, die uns noch gar nicht irritieren, wohl aber manche zum Umzug ins Beduinenzelt veranlassen. Am Tag darauf besuchen wir Little Petra, und damit verlassen wir das touristisch erschlossene Gelände.

Die nächsten beiden Nächte und Tage sollen uns lehren, dass die Natur stärker ist als wir – was wir natürlich theoretisch wissen, aber es zu erleben, das ist eine ganz andere Nummer. Die erste Nacht bietet einen Sandsturm vom Feinsten, dem das Küchenzelt ebensowenig standhält wie das große Beduinenzelt. Wer da schlafen wollte, war gezwungen in zwei kleinere Zelt umzuziehen, die für 6 Personen gedacht, aber dann von 15 Menschen bewohnt wurden. Die meisten von ihnen werden auch gebraucht, um das Zelt vor dem Davonfliegen zu bewahren. Viel geschlafen hat niemand in dieser Nacht.

Am nächsten Tag denken wir, wir haben das jetzt hinter uns mit dem Wetter … aber weit gefehlt. Den ganzen Tag Sturm, der uns schier vom Berg wehen will, und als wir das nächste Nachtlager erreichen, beginnt es zu regnen. Einen Teil der Gruppe ins nächste Dorf zu evakuieren gelingt uns, und sie lernen in dieser Nacht die Gastfreundschaft einer Beduinenfamilie kennen, die nicht danach fragt, wieviel lehmigen Matsch die Gäste ins Haus tragen. Die einbrechende Dunkelheit zwingt den Rest der Gruppe, in einem Zelt auszuharren, wo es von oben und der Seite hereinregnet und das zeitweise von einem kleinen Bach gequert wird, der direkt unter unseren Reisetaschen verläuft. Alles  nass und matschig – aber, zum Glück, es ist ja nicht wirklich kalt … keine angenehme Nacht ist das, aber wir halten zusammen und lassen uns nicht unterkriegen. Und zu unserem Glück bleibt die zweite Nachthälfte trocken.

Dann sind die Wetterunbillen tatsächlich vorbei, und wir haben endlich ein wenig mehr Kapazitäten, die herrliche Natur zu genießen, in der wir uns bewegen. Die Folgen des Wetters bekommen wir zwei Tage später allerdings noch einmal zu spüren: Theo hatte das Wadi Ghuweir vor unserer Tour getestet, denn man weiß nie, was die Winterfluten in den Wadis anrichten. Befund: alles gut machbar, kein Seil notwendig. Nach „unserer“ Regennacht sieht das dann anders aus – fünfmal dürfen wir klettern, und zum Glück ist das Seil dabei. Auch hier die Erfahrung: der Weg, die Wüste, das Leben - sie sind für uns nicht so kontrollierbar, wie wir es uns oft vorstellen. Wir sind es, die sehen müssen, wie wir uns anpassen und da durchkommen.

Zugleich machen wir die beeindruckende Erfahrung: es geht gut, wenn wir uns helfen, aufeinander achten und miteinander gehen. Dass das so klappt, ist nicht selbstverständlich. Am Ende dieses Wadis gehen wir in die Osternacht, von einer Teilnehmerin mit einer kleinen Feier gestaltet, die uns gut tut.

Am Schluss dann das Highlight, Wadi Hasa. Theo sagt danach: „das schönste Wadi, das ich je gegangen bin“ – und das will was heißen! Zwei Tage am Stück ohne den Support durch die Crew von außen, ein Weg fast durchgängig durchs tiefe Wasser (diesmal reichen die wassertauglichen Sandalen nicht, das geht nur mit den Wanderstiefeln!), mit Wasserfällen und Pools, für die leider zu wenig Zeit bleibt, ein Nachtplatz auf einer Sandbank („der schönste von allen“) … und am Ende erschöpfte, aber glückliche Wüstenwanderer, die das Hotel am Toten Meer zu 100 % genießen, und doch die Wüste schon zu vermissen beginnen.

Es ist eine besondere, eine andere Wüstenwanderertour, diese Reise 2017 – nicht so unbeschwert wie manches andere Mal, aber gerade deshalb einen Erfahrungsraum eröffnend: Wir sind unterwegs in einem Umfeld, das nicht nur ganz anders ist als das, in dem wir zu Hause sind. Es folgt auch seinen ganz eigenen Gesetzen, in deren Rahmen wir uns orientieren müssen. Fascinosum et tremendum – faszinierend und erschreckend, das ist die Wüste. Wenn wir uns in ihr bewegen, haben wir dem Rechnung zu tragen, mit Respekt und einem guten Gespür für die Rolle, die wir selbst darin spielen.

Man sollte sich kein Wetter wünschen. Nein, das werde ich nicht mehr tun. Ich will annehmen, was ist und wie es ist, und dankbar und stolz auf uns Wüstenwanderer sein, wenn wir die Herausforderung bestehen, miteinander.


Wadi Rum 2011

Das ging ja schon gut los: Noch waren nicht alle ReiseteilnehmerInnen am Flughafen eingetroffen, waren wir am Check-In von Royal Jordanian Airlines schon mit einer großräumigen Absperrung wegen eines herrenlosen Koffers konfrontiert. Aber es war zum Glück keine Bombe, und ein junger Mann konnte ihn wenig später mit hochrotem Kopf als den Seinen identifizieren. Damit hatte es sich aber auch mit gefährlichen Attacken – der Rest der Reise verlief wunderbar gechillt.

Wenige Stunden später landeten wir wohlbehalten in Amman, und am nächsten Morgen ging es gleich nach Süden am herbstlich klaren Toten Meer entlang, an dessen Ufern diesmal der obligatorische Kopftuch-Binde-Workshop stattfinden konnte, bis wenige Kilometer nördlich von Safi. Dort erwartete uns das erste von zwei Kurztrekking-Wadis des Tages. Wadi Hudeira überraschte gleich hinter der ersten Biegung mit einem riesigen Felsblock hoch über unseren Köpfen, eingeklemmt zwischen den Steilwänden, und führte dann in immer neuen Windungen landeinwärts, mit bis zu 150 m hoch aufragenden, vom Wasser formenreich ausgewaschenen Wänden, die oben manchmal bis auf einen Meter aufeinander zu wachsen. Kurz vor der Mittagsrast ließ sich in diesem Wadi die einzige Schlange der Reise sehen - und fotografieren. Beim Mittagessen gab es dann zum Glück nur jede Menge Fliegen, und danach eroberten wir das ebenfalls wasserführende Wadi Weidaa etwas weiter nördlich auf dem Weg nach Kerak. Nach einem für einige etwas aufregenden Einstieg (wer ist schon völlig schwindelfrei?) gab es hier eine ganz andere Landschaft mit Felsen, Schilf und Palmen, und schließlich einen kleinen Pool als willkommene Abkühlung.

Im Anschluss brachte uns der Bus von 400 m unter auf 1000 m über dem Meeresspiegel nach Kerak. Die Stadt ist bekannt für ihre recht gut erhaltene Kreuzfahrerfestung, die die meisten Touristen allerdings nur auf der Durchreise besuchen. Deshalb gibt es hier nur zwei Hotels und wenig Touristen, die wie wir am Abend noch durch die Stadt laufen. So konnten wir mal eine ganz normale arabische Kleinstadt kennen lernen – mit allem, was so dazu gehört: jede Menge Menschen, Geschäfte, Farben, Gerüche und Geräusche … Leben eben.

Der zweite Tag führte uns nach einem kurzen Besuch der Kreuzfahrerfestung über die Königsstraße und den Desert Highway ins Wadi Rum, wo uns unsere Beduinencrew erwartete. Guide Abu Saleh mit seinem Sohn und Azubi, und natürlich Farid, der uns bereits zum dritten Mal nicht nur eine zuverlässige Hintergrundlogistik, sondern auch seine exzellenten Kochkünste zur Verfügung stellte. Und schon ging's los – einen kurzen Nachmittag lang durch tiefen roten Sand: ein Vorgeschmack auf das, was da noch kommen sollte. Gegen 17.30 Uhr im ersten Nachtlager angekommen, war es fast schon dunkel und gleich auch überraschend kühl. Das sollte eine der Spezialitäten dieser Tour werden, die ja erstmals im Spätherbst und nicht im Frühjahr stattfand. Da war es nicht so leicht, die sieben Sachen für die Nacht zu finden, zumal die erste Nacht ja immer etwas gewöhnungsbedürftig ist, so ganz ohne das gewohnte häusliche Umfeld: no roof but the sky!

Die folgenden Tage gab es ein neues Wanderfeeling, das wie immer durch den Charakter dieser konkreten Sorte Wüste geprägt war: tiefer Sand, der die täglich zurückgelegten Strecken – hätten wir sie denn gemessen – nicht zu einer Sache für Ehrgeizige werden ließ. Immer neue Formen und Farben konnte dieser Sand annehmen, ebenso wie die aus ihm herausragenden Felsen – in Jahrtausenden vom Wind zu den ungewöhnlichsten Formen geschliffen. Viel Leben gab es da, jede Menge Pflanzen und Tiere, winzig kleine und beeindruckend große. Erster Höhepunkt war die Burdah-Brücke, die die meisten nicht nur von unten bestaunten und alle auch wieder heil verließen – auch jene, die oben etwas verzagt fragten, wie um Himmels willen wir denn da wieder herunter kommen sollten, ohne den direkten Weg zu nehmen. Und dann der Barrah Canyon, der so gar nicht wie die Canyons am Toten Meer erscheint: groß und weit ist er, seine Steilwände ragen bis zu 300 m hoch auf, und man fühlt sich winzig zwischen diesen Naturgiganten. Die Worte, die mir dazu einfallen, klingen altmodisch, aber ich habe keine besseren: Andacht, Ehrfurcht – Psalm 8 live.

Der dritte ganze Tag im Wadi Rum hatte kein vorgegebenes Programm – wir wollten damit der Erfahrung Rechnung tragen, dass es sich manchmal erst im Lauf der Reise ergibt, was jetzt genau passt, und dass es auch das Bedürfnis nach eigenen Wegen geben kann. So machte sich an diesem Tag eine Gruppe wiederum zum Wandern auf, während andere allein oder zu zweit unterwegs waren – klettern, Steinmännchen bauen, einfach nur da sitzen und den Gedanken und Gefühlen freien Lauf lassen … Am Nachmittag gab Farid einen beachtlichen Bedouin Cooking Workshop und zeigte uns, wie man mit zwei Töpfen ein komplettes Abendmenü für rund 30 Personen zaubern kann: Grünkernsuppe vorneweg und dann zwei Hauptspeisen - das jordanische Nationalgericht Mansaf aus Lammfleisch, Reis und Joghurtsauce und das bei allen Beduinen beliebte Maglouba (englisch: „upside down“), dessen Zutaten Geflügel, Gemüse und Reis nach dem Kochen – wie der Name schon sagt – komplett und sehr eindrucksvoll auf den Kopf gestellt werden. Als spontan engagierter Beikoch tat der uns pflichtgemäß begleitende Polizist einen Karrieresprung, der ihn sichtlich glücklich machte: ohne sein beharrliches Rühren wäre die Joghurtsauce ganz sicher geronnen. Zum guten Schluss demonstrierte Abu Saleh noch, wie Beduinen ihr Brot backen, und ein wunderbarer Tag fand sein Ende.

Und dann war es schon wieder Zeit für den Abschied vom Wadi Rum, dem Wüstenleben und unseren Begleitern Abu Saleh und Farid. Schnell noch das unumgängliche Gruppenfoto, und schon hatte die Zivilisation uns wieder. Wenn etwas an dieser Reise suboptimal war, dann war es ihre Kürze – aber in der Hinsicht sind Schulferien eben gnadenlos.

Abschließend ging es noch für einen Tag und eine Nacht nach Aqaba, wo wir nicht nur noch einmal eine echt arabische Stadt erleben konnten, sondern auch das blitzeblaue Rote Meer mit zumindest einem Hauch von Schnorcheln. Dann den langen Weg zurück über den Desert Highway nach Amman, wo uns mittendrin zwei unserer Mitreisenden verließen, um auf eigene Faust die Reise in Petra fortzusetzen - eine letzte Nacht in Amman, in der einzelne schon bereuten, jemals die Stille der Wüste hinter sich gelassen zu haben - und dann ging es heim.

Eine dezidierte Wandertour war das diesmal, in einer der schönsten Wüstenlandschaften, die ich kenne. Ihre Kürze lässt nur einen Schluss zu: bald die nächste Reise planen!


Zentrales Bergland und Arava im Mai und Juni 2009

Und es gab sie, die neugierigen, lustigen, freundlichen, hilfsbereiten und interessanten Leute, die sich begeistern ließen - so wie ich es mir am Ende des Berichts über die Reise 2008 gewünscht hatte! Zum ersten Mal, dass ich die (fast) gleiche Tour innerhalb eines Jahres wieder anbieten konnte - und so war es auch für mich spannend, wie diese Reise im taufrischen Vergleich ausfallen würde. Zusammenfassend kann ich gleich sagen: es war so vieles anders, neu und überraschend auch dieses Jahr wieder, dass ich mich manchmal gewundert habe, dass ich in der gleichen Gegend wie 2008 unterwegs war. Aber so ist das eben: andere Menschen werden zu einer anderen Gruppe, aus Erfahrung wird man klug - und sogar die Wüste hat allerhand Potential, ihr Gesicht zu verändern ... aber der Reihe nach!

Es fing schon damit an, dass wir völlig reibungslos, unaufgeregt und wie geplant in Jordanien ankamen - kein Stress mit falschen Namen auf Ticketlisten oder andere Nettigkeiten. Dafür nahm der Flieger eine Route, die ich bei all den vielen Flügen in den Nahen Osten noch nie gesehen hatte, übers Schwarze Meer, die Türkei und Syrien - mit Blick auf den schneebedeckten Gipfeln des Libanon- und Antilibanongebirges, um dann von Nordosten her in Amman zu landen. Und wir kamen zwar ins wohlbekannte Hotel Mariam in Madaba, das sich allerdings gleich gründlich verändert hatte: ab sofort speist man oben auf dem Dach mit beeindruckendem Rundblick über die Stadt, wirklich sehr schön. Bereits hier konnten wir das Geburtstagskind dieser Tour feiern - Rita, die allerdings auf Farids unglaubliche Sahnetorte verzichten musste, da wir ja noch nicht so weit waren ... Und hatten wir im letzten Jahr mit einem Chamsin zu tun, der die Sicht in den ersten Tagen unschön beeinträchtigte, so gab es diesmal klaren Sommerhimmel von der ersten Minute an!

Gleich am ersten Tag sollten wir feststellen, dass die Touristenflut von 2008 wieder etwas abgeebbt ist. Weder in Madaba, noch auf dem Nebo oder am Toten Meer war wirklich viel los - was uns ja nur recht sein konnte. Das blieb auch so bis Petra, wo der Eindruck, plötzlich in eine Rushhour geraten zu sein, einem eher gelassenen "ach ja, jetzt sind wir halt wieder unter Menschen ..." weichen konnte.

Die beiden wunder-vollen Wasserwadis mit dem erstklassig gechillten Freitag (also "Sonntag") dazwischen gerieten wieder zum furiosen Auftakt des Lebens in der Natur. Und auch die Natur hat Überraschungen parat: schon beim Einstieg ins Wadi Ghuweir, der an einer anderen Stelle erfolgte als erwartet, hatten Theo und ich die Gruppe auf die kleine Kletterstelle vorbereitet, wo es eines kurzen Seiles bedarf, um sie zu bewältigen. Wir liefen und liefen, genossen die Dramatik der Natur - und auf einmal waren wir definitiv an unserem Mittagspausenplatz angekommen! Keine Rede von einer Kletterstelle, nach der es unterwegs manche halbbange Frage gegeben hatte, aber Theo, Abdallah und ich, wir waren uns sicher, sie musste doch vor dem Pausenplatz gewesen sein! Einzige Erklärung: es muss eine heftige Winterflut gegeben haben, die jede Menge Sedimente dabei hatte - und die hatten die Stelle so weit aufgefüllt, dass wir sie locker - und im wahrsten Sinn des Wortes! - über-gangen hatten. Schade, den Spaß hätte ich gern noch einmal gehabt ...

Der Einstieg ins Trekking markierte auch mein Wiedersehen mit Abdallah, der wieder als unser Beduinenguide dabei war. Er erkannte nicht nur mich sofort, sondern konstatierte nach wenigen Minuten staubtrocken, dass ich einen neuen Wanderstock dabei habe. So viel zum Thema Wahrnehmungsfähigkeit! Aber auch später hat mich wirklich überrascht, wie direkt und ohne Zögern die Frauen aus Abdallahs Familie mich wieder erkannten, allen voran seine Mutter Henem mit einer herzlichen Umarmung. Bei ihr konnte ich mich zum Glück revanchieren mit der Nachricht, dass ich sie zwischendurch im deutschen Fernsehen gesehen habe - bei der Hochzeit von Abdallahs erster Frau ... die Welt ist offensichtlich ein Dorf.

Ein weiteres, herzliches Wiedersehen gab es mit Nyazi, der diesmal bereits in Madaba zu uns stieß und uns schweren Herzens in Feinan wieder verlassen musste. Einen Tag lang war auch seine Frau mit von der Partie, der er im Wadi Ibn Hammad ritterlich seine Turnschuhe lieh, um selbst mit Schuhen zu gehen, die am Ende des Tages auch am Ende ihrer Tage angekommen waren. Wie immer bereicherte er das Ganze mit seinen Sprüchen und Geschichten, manchmal hart an der Grenze, aber eben auch liebenswert.

Die spürbarste Veränderung der Tourplanung erwartete uns am ersten Tag in der Araba: die Strecke, die wir 2008 in sechs Stunden Fußmarsch bezwungen hatten, überwanden wir nun in zwei Stunden - mit der Hilfe von drei Pickups, in und auf denen das Ganze nicht nur deutlich weniger anstrengend war, sondern auch mit viel Spaß verbunden - inklusive im Sand stecken zu bleiben und die Karre wieder flott kriegen zu müssen. Diese Abkürzung ermöglichte es diesmal fast allen, den natürlich Pool im Wadi Abu Sakakeen zu besuchen und zu genießen. Enden sollte der Tag in den Dünen, wie im Vorjahr - was aber wegen heftig wehendem Wind nicht möglich war. So stand unser Zelt an einem ebenfalls schönen, etwas geschützteren Platz - was aber leider den Verzicht auf Sonnenunter- oder -aufgang in den Dünen zur Folge hatte. Dazu muss ich also noch ein drittes Mal kommen, denn 2008 war dies ja der Erschöpfung nach fast 30 km Fußmarsch zum Opfer gefallen ...

Wenn die Sonne auch "richtig herumgeknallt" (O-Ton Theo) hat, bescherte und auch der zweite Tag in der Araba erträgliche Temperaturen: wiewohl nun schon Juni, war der Glutofen der Ebene so grade noch auszuhalten, auch dank des bekannt schmalen, aber wachsenden Schattens der Polizeistation von Bir Madhkur. Und am Ende des Tages erfreute uns nicht nur Astrid mit ihrer ersten Stegreifgeschichte "Von der Prinzessin, dem weißen Wolf und der sanften Armee der Pickups", sondern auch Gregor mit einer nachhaltig wirksamen Erklärung des Sternenhimmels: "Der Mond ist der Himmelskörper, der der Erde am nächsten ist - mit Abstand!"

Am nächsten Tag stand der Aufstieg nach Little Petra bevor, von dem ich ja nun schon wusste, dass er seine Tücken hat, aber doch gut zu machen ist. Bevor es so richtig hoch ging, gönnte Abdallah uns noch eine "Bedouin Shower": kappte einfach die Verbindung zwischen zwei Stücken eines Bewässerungsschlauchs - et voilà: eine Dusche, wunderbar! Im Steilhang hätten wir dann beinahe einen der beiden Wasser tragenden Esel verloren: ungefähr da, wo es letztes Jahr ein paar Menschen gab, die nicht so recht wussten, ob sie diesem Weg trauen sollen, rutschte das Tier aus, und hätte Abdallah ihn nicht mit eiserner - und anschließend blutender! - Hand gehalten, er hätte keine Chance gehabt. Das war ein dramatischer Moment, und wir bewältigten den Rest der Kletterpartie mit einem Mehr an Respekt - vor Abdallah und vor dem Berg. Was keinen Widerspruch darstellt zu Lucas lakonischer Art, diesen Tag zu kommentieren: "Von Julia hab ich gelernt, dass man sich Glücksgefühle erlauben darf."

Überhaupt war diesmal die Sprache immer wieder ein Thema - nicht nur mit den Wander-Schweige-Impulstexten, sondern auch Gute-Nacht-Gedanken, Astrids Stegreifgeschichten und Gedichtrezitationen, und jeder Menge Bonmots, die auch aus den unterschiedlichen Mutter- und Gebrauchssprachen entstanden. Das für meinen Geschmack Schönste: eines Morgens beim Frühstück will Rebekka - offensichtlich nach einer bemerkenswerten nächtlichen Begegnung - von Theo wissen: "Gibt es hier Igel?" Er fragt zurück: "Du meinst Adler?"

Der Weg nach Petra bot schon wieder Grund zur Verwunderung: wo wir letztes Jahr noch einen ganz normalen Weg in dieser wilden Berggegend vorgefunden hatten, gab es jetzt auf einmal einen angelegten Gruppe 2009 Fußweg mit jeder Menge Treppenstufen. Das Ganze endete kurz bevor es um die Ecke geht, um dann die ausgesetzte Stelle freizugeben - und genau an diesem Punkt gab es dann noch was Nettes: ein brasilianisches Filmteam hatte sich genau diese Engstelle für eine Szene seiner Soap ausgesucht, Filmteam, Esel und Eseltreiber, technisches Equipment - all das sollte Platz in dem Einschnitt finden, der eigentlich unser Weg war. Da gerade eine Szene kurz vor der Aufnahme stand, mussten wir warten, und der Aufnahmeleiter bat uns mit wichtiger Miene um "zwei Minuten" absolute Stille. Wir folgten natürlich brav, der Kameraassistent schlug die Klappe, eigentlich hätte es losgehen sollen - da schreit laut und wild einer der Esel ... und alles lacht, wofür es dann böse Blicke des Aufnahmeleiters gab. Wenig später war es aber geschafft, der Schönling war mit der gelb gewandeten, schwarz gelockten Traufrau um die Ecke gebogen, und auch wir durften das endlich tun. Danach die ausgesetzte Stelle, die alle wieder mit Bravour meisterten, und schon waren wir kurz vor Petra.

Petra begrüßte uns mit dem schon erwarteten Kaffee im Café, seinen unglaublichen Schönheiten und - wie schon erwähnt - nicht ganz so hektisch und überquellend wie im letzten Jahr. So hatten wir etwas mehr Ausdauer, auch Dinge anzuschauen, und gönnten uns am Nachmittag einen gemütlichen Kamelritt von Qasr al-Bint zum Nachtlager am Schlangenmonument, dessen Preis wir durch gewieftes Vorgehen auf die Hälfte herunter handeln konnten.

Der letzte Tag in Petra verflog nur so, und ruckzuck standen wir zum obligatorischen Gruppenfoto vereint vor Khaznet al-Firaun, um dann ziemlich bald den langen Weg durch den Siq nach Wadi Musa und ins Hotel anzutreten. Zuvor hieß es Abschied nehmen von Abdallah, dem wir einen der von ihm immer mit begehrlichen Blicken betrachteten und auch schon mal ausgeliehenen Wanderstöcke schenkten. Und seine Reaktion: "That's for my father. He needs it more than I do." Ja, so ist er eben.

Und dann ging es wie immer ganz schnell: duschen, den Hamam besuchen, und dann ein gutes Petra-Bier, das hochprozentige. Im zuvor von den Mitreisenden inszenierten "Menschen-Reise-Memory" musste sich Theo mir trotz der ungleichen Startchancen nur ganz knapp geschlagen geben. Gut gemacht! Und: Spaß gemacht! Was man wiederum von der ganzen Reise sagen kann, so dass es für mich nur eines gibt: schnell die nächste in Angriff nehmen!


Zentrales Bergland und Arava im Mai 2008

Jordanien, das ist ein Land, das die Aufmerksamkeit von Reisenden noch nicht so lange auf sich zieht - und das zu Unrecht.Es ist nämlich wunderschön und hat mich mit seiner Vielfalt und landschaftlichen Dramatik sofort in seinen Bann gezogen.Ich war schon mal dort, das ist ziemlich lange her: im Frühjahr 1981 - welch ein Unterschied, vor allen Dingen in Petra! Aber der Reihe nach …

Wüstenbegeisterte, Wüstenneulinge, Wüstenträumer und was auch immer: mit 26 Teilnehmern war die Reisegruppe diesmal wirklich beeindruckend, die da zu Beginn der Pfingstferien auf dem Frankfurter Flughafen aus allen Richtungen des deutschen Sprachgebiets zusammen kam. Na, seien wir ehrlich: ein Schweizer war (noch) nicht dabei. Aber immerhin: von Schleswig-Holstein über Berlin bis Linz an der Donau kamen sie, ganz zu schweigen von dem starken schwäbisch-badischen Kern … Nach ersten Turbulenzen, weil aus Wolfgang auf dem Flugticket plötzlich Isolde geworden war - und als solche konnte er definitiv nicht fliegen -, ging alles reibungslos, und wir fanden uns mir nichts dir nichts in Madaba wieder, einer kleinen, vorwiegend christlich geprägten Stadt südwestlich von Amman.

Der erste Reisetag diente nicht nur der kulturellen Erbauung, sondern auch der Akklimatisierung an Temperatur und Umgebung. So bewegten wir uns zunächst mal als Touristen: wir besichtigten das berühmte Heiliglandmosaik in der Georgskirche in Madaba, fuhren zum Berg Nebo - jener Stelle, an der Mose der Tradition nach das gelobte Land zwar sehen durfte, aber dann sterben musste. Genug der Kultur - unser nächster Blick richtete sich auf das Tote Meer, das zum Baden einlud und eine ganze Reihe fröhlicher Schwarzer produzierte.

Bereits am zweiten Tag gab es die erste Wanderung, sozusagen ebenfalls zum Warmwerden. Das durften wir wörtlich nehmen: das dafür ausgesuchte Wadi Ibn Hammad führt durchgängig Wasser, und zwar warmes! Es war schon eine Erfahrung der besonderen Art: mitten in der Wüste einen ganzen Tag lang durchs Wasser laufen, mitunter bis zu den Oberschenkeln tief und mit so heftiger Strömung, dass der eine oder die andere auch mal komplett baden ging. Da waren gut sitzende Trekkingsandalen gefragt, und dennoch war ein umgeknickter Fuß nicht zu vermeiden (der allerdings tapfer und ohne Klagen weitermarschiert ist!). Drumherum ein grünes, blühendes Leben mit Palmen, Oleander, Fröschen und Libellen. Sagenhaft!

Bevor der eigentliche Hike beginnen sollte, gab es dann noch einen freien Tag zum Kraft-Tanken im wunderschönen Naturreservat von Dana. Das Hotel überraschend einfach, aber eben dem Grundgedanken der Royal Society for the Conservation of Nature verpflichtet: "give local people a better life". Da hängt dann schon mal eine große weiße Spinne an der Decke des Aufenthaltraums (und das Wort Decke darf man da wörtlich nehmen: die besteht nämlich aus Ziegenhaartuch) und entlockt unserem Gastgeber einzig den Kommentar: "it's nature!" Stimmt. Beide Abende unter diesem Beduinendach waren angefüllt mit Musik und Tanz, und unserer Hanife ist es gelungen, all die zurückhaltenden Mitteleuropäer zum arabischen Tanz zu bewegen …

Und dann ging's richtig los: Am vierten Tag starteten wir ins Wadi Ghuweir und damit auf unsere eigentliche Wandertour mit fünf Nächten unterm Sternenhimmel - von dem wir allerdings nicht wirklich viel sehen sollten, da den größten Teil der Nacht der Vollmond die Szene beherrschte. Aber der war auch schön … no roof but the sky. Der Hike führte uns durch eine landschaftliche Vielfalt, die ihresgleichen sucht. Der erste Tag noch einmal ein wildes Wadi, diesmal mit - angenehm - kaltem Wasser und einer ersten Kletterpartie, wieder einer traumhaften Vegetation und viel Schatten.

Der zweite und dritte Tag dann im tief gelegenen Wadi Araba, also der Senke, die Totes und Rotes Meer verbindet: eher flaches, aber wegen des Gerölls ziemlich anstrengendes Gelände, in der wir die "harte Wüste" kennen lernen, die auch mal trist und mühsam sein kann. Dennoch auch hier Gelegenheit zum Baden in einem natürlichen Pool im Wadi Abu Sakakeen - unglaublich. Zum Glück hat das Wetter mitgespielt und uns "nur" mit Temperaturen von gut 40° beglückt - zwei Wochen zuvor war es dort noch gut 10° heißer! Blasen gab es trotzdem, und zwar jede Menge.

Am vierten Tag dann der Aufstieg zurück in die Berge, etwa 1000 Höhenmeter an einem Tag mit spektakulären Ausblicken, kleinen Kletterpartien, die einigen von uns einiges abverlangten an Mut und Selbstüberwindung, und einem Schwarm Schlangenadlern, der uns, eben oben angekommen, begrüßten. Dieser Tag bot dann auch die erste Begegnung mit Schmuck verkaufenden Beduinenfrauen, und die sollte nicht die letzte bleiben … und endete in Little Petra, wo wir einen ersten Eindruck von dem bekamen, was uns in Petra selbst erwartet.

Der fünfte Tag des Hikes führt nach Petra hinein - von Westen, also durch die Hintertür, wo (fast) niemand sonst hereinkommt. Deshalb ist dann auch das erste, was wir von Petra sahen, gleich Ed Deir, das imposante Monument, das für die Touristen am Ende ihres Petra-Besuchs liegt. Hier mussten wir beginnen mit der "Rush Hour" klarzukommen, die in Petra dieser Tage herrscht - was nicht einfach war nach den Tagen in Ruhe und Frieden und ohne fremde Leute um uns herum. Trotz dieser Umstellung war uns noch eine Nacht draußen gegönnt, immer noch in Petra, aber so abseits, dass wir wieder für uns sein konnten - zum Glück. Der zweite Tag in Petra war weiterer Besichtigung gewidmet, wunderschön, aber eben überflutet von Menschen, denen oft anzusehen ist, dass sie nicht adaptiert sind - bis hin zu den Mundschutz tragenden Japanern.

Und dann ein langer Weg durch den Siq, die gängige Eingangspforte nach Petra, zum Hotel, das uns mit Dusche und Bett einen echten Luxus bieten konnte. Ein Teil der Gruppe legte noch eins drauf und gönnte sich einen wohltuenden, den Dreck einer Woche lösenden Besuch im Hamam, bevor dann ein feuchtfröhlicher Abschiedsabend in einer der wenigen Kneipen des Ortes folgte. Dabei hieß es vor allem Abschied zu nehmen von Theo, der uns leider einen Tag vor dem Ende der Tour verlassen musste - was nicht zu ändern war, aber heftig bedauert wurde.

Dennoch: der letzte Tag der Reise führte uns noch einmal in eine andere Wüste - die Wüste des Lawrence von Arabien, das Wadi Rum. Eine phänomenale Landschaft mit rotem Sand, wilden Sandsteinmassiven, Dünen und Kamelen - aber eben auch voll touristisch vermarktet, leider. Ein etwas zwiespältiger Eindruck blieb da zurück. Trotzdem war der letzte Abend im Beduinencamp mit typisch beduinischer Abendunterhaltung ein wunderbarer Schlusspunkt einer Reise, die eine ganz besondere war.

Das wurde für mich auch darin deutlich, dass plötzlich jemand den Vorschlag machte, das uralte, sehr traditionelle Kirchenlied "Großer Gott, wir loben dich" zu singen - und die ganze Gruppe hat eingestimmt: Leute mit großer Nähe und solche mit großem Abstand zur Kirche, Leute mit guten und schwierigen Erfahrungen mit dem Glauben, Junge und Ältere, Evangelische und Katholische, und auch unsere Muslima war innerlich dabei, auch wenn sie den Text nicht auswendig mitsingen konnte. So was hab ich noch nicht erlebt, das war sehr bewegend. Und es gab wieder, was wir erlebt hatten: die Größe und unbeschreibliche Schönheit der Schöpfung und ihres Schöpfers und das Gefühl der Ehrfurcht - auch ein altmodisches Wort, aber ich hab kein besseres.

Diese Reise war so besonders, dass sie mich bewogen hat, zu ersten Mal das (fast) gleiche Programm im nächsten Jahr noch einmal anzubieten - in der Hoffnung, dass es noch einmal so eine Bande neugieriger, lustiger, freundlicher, hilfsbereiter und interessanter Leute gibt, die sich begeistern lassen!

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