BS 2010

ballonfahrt

ich steige in den korb
lasse mir sagen
du kannst hier nichts tun
außer
bei der der landung die richtige haltung einnehmen
alles andere
geschieht
durch die kräfte der natur
nach den gesetzen der physik
und durch den
der beides kennt
der beides nutzt

du kannst hier nichts tun
nichts steuern
nichts verhindern
nichts bewirken
nichts im griff haben

macht und kontrolle – gib sie ab
sei einfach da
nimm wahr
was geschieht

du entfernst dich
von der erde
deinem metier
fliegender robert *
abstand schafft
perspektivwechsel
überblick
weitsicht
die dimensionen verschieben sich
groß und klein

einen moment
gehörst du nicht mehr dazu
und du näherst dich wieder
langsam
stetig
unaufhaltsam
du kannst da nicht bleiben
dein platz ist da unten

bereite dich vor
auf die landung
das gewicht in die mitte
den kopf und den rücken geschützt
dreimal prallt der korb auf die erde
dann steht er
als hätte er nie etwas anderes getan

du bist gelandet
bist wieder da
aber
ich bin nicht mehr
die ich war
ich bin geflogen
ich konnte nichts dazu tun
ich habe mich anvertraut
ohne angst
aber mit herzklopfen
ich bin gelandet
unsanft
aber sicher

bin wieder da
wo ich hingehöre
bereichert
erfüllt von
bildern
gefühlen
gedanken
die ich nicht vergessen werde
nie
* Die Geschichte vom fliegenden Robert: Wenn der Regen niederbraust, wenn der Sturm das Feld durchsaust, bleiben Mädchen oder Buben hübsch daheim in ihren Stuben. Robert aber dachte: Nein! Das muß draußen herrlich sein! Und im Felde patschet er mit dem Regenschirm umher. Hui, wie pfeift der Sturm und keucht, dass der Baum sich niederbeugt! Seht! Den Schirm erfaßt der Wind, und der Robert fliegt geschwind durch die Luft so hoch, so weit; niemand hört ihn, wenn er schreit. An die Wolken stößt er schon, und der Hut fliegt auch davon. Schirm und Robert fliegen dort durch die Wolken immerfort. Und der Hut fliegt weit voran, stößt zuletzt am Himmel an. Wo der Wind sie hingetragen, ja!, das weiß kein Mensch zu sagen. Heinrich Hoffmann, Der Struwwelpeter (1845), zitiert nach: Wikipedia